Protokoll der Europäischen Märsche

27. und 28. Mai 2000 (Paris)

 

vertretene Länder: Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien.
entschuldigt: Dänemark, Griechenland, Italien, Luxemburg.

1) Mindesteinkommen

Die Grundlage der Diskussion bildeten die Vorarbeiten der dazu eingesetzten Arbeitsgruppe, aktualisierte Statistiken und ein Entwurf für eine Erklärung von Marie-Paule Connan (Euromärsche Belgien). Die Diskussion konzentrierte sich auf die Kriterien für eine europaweite Forderung und ihre Höhe - in Anbetracht dessen, daß sie für alle unmittelbar Betroffenen (Erwerbslose, ungeschützt Beschäftigte, Rentner) praktikabel sein muß. Nach einigen Änderungen hat der im Anhang beigefügte Text (Aufruf für ein europäisches Mindesteinkommen) die Zustimmung der Anwesenden gefunden.

2) Sechs Monate um Europa!

Von Juni bis Dezember 2000 häufen sich die Termine für die Mobilisierung europäischer und weltweiter Netzwerke in Europa: Brüssel, Porto, Genf, Millau, Prag, Biarritz, Paris, Nizza. Diese Städte werden Schauplatz der Zusammenkunft von Menschen sein, die für ihre Rechte kämpfen und sich anläßlich der internationalen Zusammenkünfte der sie Regierenden zur Koordination ihrer Kämpfe treffen.

Christophe Aguiton (AC!, Frankreich) gab einen Überblick über die Aktivitäten der anderen Netzwerke, die in Europa ebenso wie in anderen Teilen der Welt gegen die Folgen der neoliberalen Offensive kämpfen. Jede und jeder von uns hat im Kopf, was sich in Seattle und in Washington abgespielt hat, wo französische und indische Bauern mit der Bewegung der Landlosen in Brasilien und US-amerikanischen Gewerkschaftern gemeinsam demonstriert haben. Wohl läßt sich nicht alles über einen Leisten spannen und die Besonderheiten eines jeden Netzwerks machen Sinn; dennoch, je weiter wir unsere Kämfpe treiben, desto mehr werden wir uns der Notwendigkeit bewußt, uns zu koordinieren - aus praktischen Gründen, aber auch um ein günstigeres Kräfteverhältnis herzustellen. Welche Bündnisse brauchen wir? Die Debatte darum steht erst am Anfang. Dazu wird es einen Text geben, der als Anstoß gedacht ist.

Inhalt und Bedeutung der »europäischen« Treffen wurden von Marie-Paule Connan vorgestellt; daraus ging hervor, wie wichtig das Jahr 2000 für Europa sein wird: Die Tagesordnungen der offiziellen EU-Gipfel behandeln die Reform der Institutionen, die Grundrechte, die EU-Erweiterung, die Militärunion, die Beschäftigungspolitik. Viele Ländern hegen hohe Erwartungen in die französische Präsidentschaft und einen Schritt nach vorn in der europäischen Integration.

Die Aufgaben sind riesig, unsere Mittel gering. Dennoch wollen wir versuchen, bei diesen Gipfeltreffen anwesend zu sein, um mit anderen zusammen unsere Forderungen zu erheben und auf die Entscheidungen Einfluß zu nehmen, zumindest das Schlimmste zu verhindern.

Konkret sieht der Kalender für 2000 wie folgt aus:

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Chronologie

Die Entwicklung der Märsche

 

Mindesteinkommen
In sechs Monaten um Europa!
Kalender
Erwerbslosenversammlung
Aufruf Generalstände
Charta der Grundrechte

10. Juni

Gegengipfel gegen UNICE in Brüssel

Kolloquium der Europäischen Märsche über das europäische Mindesteinkommen, 10.30h - 15h.
Demonstration um 16h; Internationales Meeting um 18h.
Wir hoffen auf eine Mobilisierung aus dem Norden Frankreichs, aus Westdeutschland, Luxemburg, Holland und natürlich Belgien.

17. Juni

Weltmarsch der Frauen in Paris

19. Juni

Demonstration des EGB in Porto

Das wird nicht die große Demonstration, die man im Gefolge des Lissabonner Gipfels hätte erwarten dürfen. Es wird eine Mobilisierung in Portugal geben und Delegationen aus verschiedenen europäischen Ländern: aus Spanien kommt ein Bus, einige werden sich im Rahmen ihrer Gewerkschaftsdelegation beteiligen können. In Porto wird es einen Block der Euromärsche geben.

22.-25. Juni

Genf

Der UN-Sozialgipfel in Genf (Folgegipfel von Kopenhagen) beginnt am 26.Juni.
Vom 22. bis 24. Juni gibt es einen Gegengipfel mit dem Ziel der stärkeren Koordination der Netzwerke. Demonstration am 25. Juni.

30. Juni

Millau

Prozeß gegen José Bové, den Vorsitzenden des französischen Bauernverbands, und zehn seiner Mitstreiter. Zehntausende werden zu einer Demonstration in diesem kleinen Ort auf dem Plateau Larzac erwartet. Alle Netzwerke, die gegen die neoliberale Globalisierung aktiv sind, werden dort erwartet. Die Euromärsche organisieren dort ein Forum über die Beschäftigungspolitik und das Mindesteinkommen.

22.-26. September

Prag

Gegengipfel gegen die Herbstversammlung des IWF.
Die Märsche rechnen auf die Beteiligung aus Deutschland und Österreich, um eine Präsenz zu zeigen.

30. September - 01. Oktober

Europäische Koordination der Märsche in Paris

14. Oktober

Weltmarsch der Frauen in Brüssel

14./15. Oktober

EU-Gipfel in Biarritz

Mobilisierungen aus Südfrankreich und Nordspanien, aus dem Baskenland.

4./5. November

Europäische Koordination der Märsche in Paris
Letzte Vorbereitungen für Nizza.

Dezember 2000

Dezember 2000: EU-Gipfel in Nizza - Gipfel der Mobilisierungen!

Patrice Spadoni (AC!, Frankreich) stellt die europäische Mobilisierungswoche vor, die es anläßlich dieser Regierungskonferenz geben soll. Der Gipfel in Nizza wird, wie der in Amsterdam, eine Revision der bestehenden Verträge beschließen. Auf der Tagesordnung stehen: Osterweiterung, Reform der Institutionen, Grundrechtekatalog, Militärunion. Unsere Mobilisierungen müssen auf der Höhe dieser Herausforderungen sein.

30. November - 2. Dezember

Großes Forum gegen die Globalisierung von Espace Marx und ATTAC in Paris

2./3./4. Dezember

Europäische Erwerbslosenversammlung in Paris

4./5./6. Dezember

Karawanen nach Nizza aus allen Ländern Europas

7./8. Dezember

Demonstration am 7. und Besetzung der Stadt während des Gipfels.

 

2001 - der Kampf geht weiter:

 

15./16./17. Juni 01

EU-Gipfel in Göteborg, Schweden

Annik Tiggeryd von der schwedischen Gewerkschaft SAC stellt die Initiativen für einen Gegengipfel und eine Demonstration vor.

Zweites Halbjahr

Die Erwerbslosen und ungeschützt Beschäftigten treffen sich in Brüssel.

Die Europäischen Märsche werden einen offiziellen Aufruf nach Nizza 2000 anläßlich der Mobilisierungen am 10.Juni nach Brüssel vorstellen. Auf dem Festival in Millau wird er breit verteilt werden.

3) Versammlung und »Parlament« der Erwerbslosen und ungeschützt Beschäftigten.

Ausgehend von den Erfahrungen des Erwerbslosenparlaments in Thüringen präsentiert Hans Herrmann Hoffmann (ALI Thüringen) ein Projekt, das die europaweite Zusammenarbeit in Hinblick auf Erfahrungsaustausch, Positionsbildung, Kampagnen und die bessere Vertretung bestehender Initiativen verstärkt. Das Ziel ist, denen ein Forum zu verschaffen, die sonst nicht zu Wort kommen, obwohl sie in erster Linie von Erwerbslosigkeit und ungeschützter Beschäftigung betroffen sind.

Angela Klein von den Europäischen Märschen in Deutschland hat einen schriftlichen Diskussionsbeitrag zu dem Thema verfaßt, der die verschiedenen Probleme der europäischen Arbeit der Märsche anspricht, auch die Frage des Namens, den eine solche Erwerbslosenversammlung tragen soll.

Die Diskussion ergibt den gemeinsamen Willen, der Versammlung im Dezember in Paris Vorschläge für das zweite Halbjahr 2001 zu vorzulegen, wenn Belgien den Vorsitz in der EU führt. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des deutschen Netzwerks wird beauftragt, diesen Tagesordnungspunkt für die Versammlung im Dezember vorzubereiten.

4) Aufruf für die Generalstände der sozialen Bewegung in Europa

(Bourdieu)

Annick Coupé von der Gewerkschaft SUD und der »Gruppe der 10« (der 10 Gewerkschaften, die in einem Kooperationsverbund stehen) berichtet von dem positiven Echo, das der Aufruf in zahlreichen europäischen Ländern gehabt hat. Ein erstes Treffen der UnterstützerInnen ist für September vorgesehen; es soll dort eine große Initiative für 2001 vorbereitet werden.
Wie schon etliche landesweite Netzwerke unterzeichnet nun auch die Europäische Koordination der Märsche den Aufruf.

5) Charta der sozialen Rechte

Die Zeit fehlte, diesen Punkt genauer zu diskutieren. Allgemein gesprochen machen wir uns keine Illusionen über die Bereitschaft der europäischen Institutionen, die sozialen Rechte in den Grundrechtekatalog mit aufzunehmen. Die europäischen Institutionen und Regierungen geizen nicht mit ausgezeichneten Erklärungen, vor allem dann, wenn sie folgenlos bleiben. Aber eben deshalb fühlen wir uns angesprochen von Initiativen, die andere unternehmen, um die Integration der sozialen Rechte in den Vertrag von Nizza durchzusetzen und um zu erreichen, daß sie rechtlich einklagbar sind - auch wenn wir wissen, daß das Recht nur in dem Maße angewandt werden, wie es ein ausreichendes Kräfteverhältnis dafür gibt.
In diesem Sinne beteiligen wir uns an breiteren Initiativen zu dieser Frage, wie sie z.B. von der französischen Liga für Menschenrechte ergriffen werden. Wir kämpfen vor allem für die Forderungen, die wir in der Charta für die sozialen Grundrechte der Europäischen Märsche festgehalten haben.

 

Michel Rousseau
1. Juni 2000
Übersetzung: Angela Klein

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aktualisiert am 27.07.00
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