Letzte Vorbereitungen für die Mobilisierung nach Nizza

Ergebnisse der europäischen Koordination der Märsche vom 4.11.2000

In Frankreich hat sich eine nationale Bündnisstruktur entwickelt, die die Mobilisierungen für den 6., 7. und 8.Dezember vorbereitet. Daran nehmen u.a. teil: AC!, Apeis, MNCP, Euromärsche, DAL, Comite des sans logis, Droits Devant! (Obdachlosenvereine), FASTI, CCOMC (anti-WTO-Struktur), ATTAC, Confederation paysanne (der Bove-Verein), SUD Rail, Ptt, Schulen, Luftfahrt, die Gruppe der 10 (Bündnis linker Gewerkschaften), CGT correcteurs (Korrektoren, das ist eine Berufsgruppe im Druckgewerbe), CNT, No parasan. Indymedia sowie Parteien (LCR, Grüne, Altenative libertaires) haben Beobachter geschickt.
Das Bündnis will die Mobilisierungen aus den verschiedenen Spektren und Netzwerken in Frankreich zusammenführen. Es gibt dort einen breiten Konsens gegen die Grundrechtecharta der EU und für weiterführende Aktionen nach der Demo am Mittwoch, den 6.12.
Das Bündnis gibt in den nächsten Tagen einen eigenen Aufruf heraus.

Darüber hinaus gibt es ein Aktionsbündnis in Nizza, das sehr breit ist - so breit, dass auch Parteien, die in Paris an der Regierung sind, daran teilnehmen. Dies hat zu politischen Auseinandersetzungen geführt - sowohl im Bündnis selbst wie auch mit dem nationalen Aktionsbündnis; sie waren auch auf der europäischen Koordination spürbar, wo ein Vertreter aus Nizza anwesend war. Die Kontroverse ging auf der Sitzung der Märsche um die Frage, ob man dem offiziellen EU-Gipfel jede Legitimität abspricht - somit um die Frage, ob man seine Arbeit blockieren darf - somit um die Frage, welchen Charakter die Aktionen am 7.12. haben sollen, dürfen... Die einhellige Antwort der anwesenden Vertreter der Märsche war, dass es uns um die Sache, nämlich um die Grundrechtecharta geht, und dass wir auf keinen Fall wollen, dass diese in die Verträge aufgenommen wird. Dies wollen wir deutlich machen...

1 - Wir ziehen nach Nizza

2.1 Gratiszug !

Das Projekt Gratiszug wird vom nationalen Aktionsbündnis getragen. Viele haben nicht das Geld, die Reise zu zahlen. Es soll auch der Art und Weise, wie wir nach Nizza gehen, eine spektakuläre Form verliehen werden, die bereits als solche unsere Forderungen rüberbringt.
Ein Brief wurde an den Innenminister Gayssot geschrieben, in dem er aufgefordert wird, Erwerbslosen, Leuten in ungschützter Beschäftigung und Jugendlichen die Teilnahme an der Demonstration zu ermöglichen. Die Zühe, die der EGB anheuert, sind unbezahlbar, sie kosten über 500 FF, das sind über 150 DM.
Folgende Aktionen werden vorbereitet:

  • Eine Aktion »Faustschlag« in der Pariser Region in den kommenden Tagen. Deren Ziel ist ein zweifaches: 1. den kostenlosen Transport zu fordern; 2. öffentlich machen, dass die soziale Bewegung sich massiv darauf vorbereitet, nach Nizza zu gehen.
  • Die Operation Gratiszug selbst kann mehrere hundert Menschen umfassen. Sie beginnt am Dienstag, dem 5.Dezember morgens mit der Abfahrt aus Paris. Warum am Dienstag? Weil am darauffolgenden Tag, dem Mittwoch, der Eisenbahnverkehr und die Züge nach Nizza vollständig von den Demonstrierenden des EGB beansprucht sein werden.
    Das nationale Aktionsbündnis hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um diese Initiative vorzubereiten.

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2.2. Die Karawane

Zwei Karawanen werden derzeit vorbereitet:

  • Eine aus Paris. Sie startet am Nachmittag des 4.Dezember nach der europäischen Versammlung der Erwerbslosen. Sie nimmt folgende Etappen: Ankunft Lyon am 4.12. abends; Ankunft Marseille am 5.12. abends. Geschätzte Teilnehmende: etwa 100.
  • Eine andere wird von der MNCP vorbereitet; sie durchquert ganz Frankreich und stösst am 5. in Marseille zur ersten hinzu.

2.3 Im Bus

Andere Teilnehmende an der Demonstration (vorwiegend Erwerbstätige), die nicht vor Dienstag abend oder Mittwoch früh fahren können, mieten Busse an - das können in Nizza in der Nacht vom 6. auf den 7. 12. Übernachtungsplätze werden.
Dazu folgen in Kürze weitere Informationen.

3 - Die Demonstration am 6. Dezember

Die Haltung des EGB zur Grundrechtecharta hat sich in den letzten Wochen gewandelt. Zu Anfang schien sie kritisch zu sein, aber es scheint dass der EGB unter dem Druck der CFDT nun trotz fortbestehender Kritik die Integration der Charta in den EU-Vertrag fordert.
[Anmerkung: Der EGB hat in den letzten Tagen seine Haltung nochmals geändert. Nach dem Gipfel in Biarritz schrieb er in einer Presseerklärung vom 25./26.Oktober:

Der EGB stellt mit Zufriedenheit fest, dass sein Vorschlag zur Aufnahme vorrangiger EU-Rechte weitgehend in der Charta übernommen wurde. Dazu gehören Gewerkschaftsrechte, das Recht auf Unterrichtung und Anhörung, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, das Verbot der Kinderarbeit, das Recht auf Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz und auf Freizügigkeit. Dagegen bedauert der EGB, dass andere Rechte aus der revidierten Europäischen Sozialcharte, so wie das Recht auf ein Mindesteinkommen, nicht aufgegriffen wurden...
Der EGB betont, dass die rechtlich bindende Aufnahme der Grundrechtecharta in den EU-Vertrag äusserst wichtig ist. Eine feierliche politische Erklärung ausserhalb des Vertrags würde den Zielen und Erwartungen, die der Kölner Gipfel durch die Einleitung des Chartaerstellungsverfahrens geweckt hat, selbstverständlich nicht gerecht. Die Glaubwürdigkeit des Europäischen Rats steht auf dem Spiel. Eine politische Erklärung ausserhalb des Vertrags könnte von den Arbeitnehmern und Bürgern leicht als negatives Signal aufgefasst werden, wenn es um die tatsächliche Anerkennung der EU auf der Grundlage gemeinsamer Werte mit derselben Priorität wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit geht. Dies könnte als Rückschritt gegenüber den Hinweisen im geltenden Vertrag auf die Instrumente des Europarats und die Gemeinschaftscharta von 1989 gesehen werden.

In seinem Aufruf zur Demonstration in Nizza heisst es: Gewerkschaften haben ein ebenso selbstverständliches Recht, grenzüberschreitend zu handeln, wie die Güter mit aller Selbstverständlichkeit Grenzen überqueren, und wie Kapital, das frei umherfliesst. Wir haben einen Binnenmarkt, eine Wirtschafts- und Währungsunion. Es ist daher selbstverständlich, auf europäischer Ebene das Verhandlungsrecht, das Recht auf gewerkschaftliche Aktion und das Streikrecht anzuerkennen. Das muss im Unionsvertrag seinen Niederschlag finden...
Auf dem europäischen Gipfel in Nizza wird über eine Charta der Grundrechte entschieden. Der Text der Charta ist ein Schritt nach vorn, in die richtige Richtung. Aber es ist nicht mehr als ein Schritt und der Schritt ist nicht gross genug.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Europas fordern eine Charta mit einklagbaren Rechten, die im Vertrag verankert ist. Mit einer blossen feierlichen Erklärung ist es nicht getan. Der EGB ruft den europäischenRat in Nizza auf, sich schon jetzt, im neuen Vertrag, auf die Charta zu beziehen, einen klaren Zeitplan und einenklaren Plan für das Verfahren zu verabschieden, wie und wann eine verbesserte Charte in den Vertrag integriert wird.

(Die Klammer und die Hervorhebungen sind von der Übersetzerin)]

Ergebnis: Auf der Demonstration am 6.12. in Nizza wird es zwei klar unterscheidbare Blöcke geben: den des EGB und einen, der sich gegen die Charta richtet. Diesem gehören an: Erwerbslosen- und Obdachlosenorganisationen, Gewerkschaften ausserhalb des EGB wie die Gruppe der 10, vielleicht auch einige EGB-Gewerkschaften, die nicht mit der Charta einverstanden sind...

3. Strassenkundgebung am Mittwoch nach der Demonstration, zwischen 18 und 20 h Beginn der friedlichen Besetzung von Nizza.

Diese Kundgebung soll die Besetzung eröffnen. Geplant sind ein Dutzend kurzer Redebeiträge verschiedener Vertreter der sozialen Bewegungen in Europa: Kämpfe von Erwerbslosen und prekär Beschäftigten; der Kampf gegen die kapitalistische Globalisierung; der Weltfrauenmarsch; die Confederation paysanne (wenn möglich); marokkanische Erwerbslose; Wissenschaftler an der Seite der Bewegungen (Raison d'Agir); Beiträge aus Spanien und Italien ... Die Beiträge sollen in verschiedenen Sprachen zusammengefasst werden.
Danach folgen zahlreiche Foren, Feste, etc...

4. Die Übenachtungen

Das Aktionskomitee in Nizza unternimmt grosse Anstrengungen, ein Maximum an Übernachtungsplätzen zu finden, das ist aber nicht einfach, weil die politischen und sozialen Verhältnisse in Nizza dem entgegenstehen. Der Bürgermeister verlegt sich zudem auch noch auf Verbote: bislang ist uns kein Versammlungssaal genehmigt.
Es wird Übernachtungsplätze für mehrere hundert Leute geben:

  • für die, die ab Dienstag mit Gratiszügen ankommen;
  • für die, die auch am 7. und 8. bleiben.

Für das Gros der Demonstrierenden, die am Mittwoch ankommen, wird es vor allem eine Übernachtung in Bussen geben. Das ist schwierig, aber vergessen wir nicht, dass es sch hierbei um einen Kampf handelt, und dass der nächste Morgen in jedem Fall sehr zeitig für uns beginnen wird.

5. Der frühe Donnerstagmorgen

Hier wollen wir unseren Forderungen deutlich Nachdruck verleihen. Wir verlangen, dass die Charta weder angenommen noch in den EU-Vertrag integriert wird. Mindestens symbolisch wollen wir die Arbeiten der Regierungskonferenz blockieren.
Dazu müssen wir mit unserer Demonstration beginnen, bevor die offizielle Konferenz beginnt. Wir fassen folgendes Szenario ins Auge:
Wir versammeln uns um 7 h morgens zu einer grossen gemeinsamen Demonstration; danach ziehen wir in mehreren Demonstrationszüge zum Konferenzort mit dem Ziel, ihn einzukreisen.
Wir rufen in Erinnerung, dass wir uns auf aktive Gewaltfreiheit geeinigt haben. Zu diesem Zeitpunkt müssen wir so zahlreich wie möglich sein. Wir haben gute Aussichten, denn ausser den Franzosen haben sich mehrere tausend Europäer [vor allem aus Spanien (CGT und Anti-WTO), aus Italien (Gewerkschafter der COBAS und ein Teil der CGIL, vor allem aus Piemont, sowie die sozialen Zentren)] angekündigt.

6. Fortsetzung des Gegengipfels

Organisiert vom Aktionsbündnis in Nizza, setzt sich der Gegengipfel mit Foren und Aktionen vor symbolischen Orten fort, die vor allem die Themen: Kampf gegen Erwerbslosigkeit und ungeschützte Beschäftigung, Kampf gegen das Bettelverbot und gegen die extreme Rechte aufgreifen (die österreichische Regierung wird am EU-Gipfel teilnehmen). Das Aktionsbündnis von Nizza feilt noch am Programm; wir verschicken es, sobald es fertig ist.

Die Dinge fangen an, klarer zu werden; es bleiben uns auch nur noch wenige Wochen, um ein Maximum an Menschen zu mobilisieren, lokale Aktionsbündnisse dort ins Leben zu rufen, wo es sie noch nicht gibt, die Teilnahme an Gratiszügen vorzubereiten, und Busse zu chartern. Wir werden den zynischen Regierungen dieses Europa des Kapitals (und der Regierung Jospin) in die Suppe spucken!

Patrice Spadoni
6.November 2000

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