Aufruf zur Euro-Demonstration Nizza 6 Dezember 2000

Europa dreht sich zu sehr um Märkte und um Kapital. Europa dreht sich zu wenig um Arbeit, um Menschen, um ein Leben in Würde und um Solidarität. Ein Wandel ist dringend nötig.

Arbeitslosigkeit trifft Millionen von Europäern, vor allem junge Menschen und Frauen. 9% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa sind arbeitslos. 18% der europäischen Bürger leben in Armut. Arbeitslosigkeit geht mit unsicherer Beschäftigung, mit ungleichen Löhnen und Arbeitsverhältnissen zwischen Frauen und Männern, mit geringerem sozialem Schutz und erhöhter sozialer Ausgrenzung einher.

Der EGB ist fest davon überzeugt, daß in Europa alle Voraussetzungen vorliegen um eine Wende zurVollbeschäftigung zu vollziehen. Vollbeschäftigung, die auf dauerhaftem und nachhaltigem Wirtschaftswachstum beruht, die von einer koordinierten europäischen Politik in Sachen öffentlicher Investitionen, Steuern, Innovation, lebenslangem Lernen, Chancengleichheit getragen wird, sollte die allererstePriorität in Europa werden.

Es ist lebenswichtig für die Europäische Union, näher bei ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, bei ihren Bürgern zu sein. Aus der Europäischen Union muß ein soziales Europa, ein Europa der Bürger werden. Das bedingt politische und soziale Rechte. Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und insbesondere die Rechte ihrer Gewerkschaften müssen anerkannt werden. Politische Rechte, bürgerliche Rechte, soziale und gewerkschaftliche Rechte sind eins und unteilbar.

Gewerkschaften haben ein ebenso selbstverständliches Recht, grenzüberschreitend zu handeln, wie die Güter mit aller Selbstverständlichkeit Grenzen überqueren, und wie Kapital, das frei umherfließt. Wir haben einen Binnenmarkt, eine Wirtschafts- und Währungsunion. Es ist daher selbstverständlich, auf europäischer Ebene das Verhandlungsrecht, das Recht auf gewerkschaftliche Aktion und das Streikrecht anzuerkennen. Das muß im Unionsvertrag seinen Niederschlag finden.

Auf dem europäischen Gipfel in Nizza wird über eine Charta der Grundrechte entschieden. Der Text der Charta ist ein Schritt nach vorn, in die richtige Richtung. Aber es ist nicht mehr als ein Schritt und der Schritt ist nicht groß genug.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Europas fordern eine Charta mit einklagbaren Rechten, die im Vertrag verankert ist. Mit einer bloßen feierlichen Erklärung ist es nicht getan. Der EGB ruft den europäischenRat in Nizza auf, sich schon jetzt, im neuen Vertrag, auf die Charta zu beziehen, einen klaren Zeitplan und einenklaren Plan für das Verfahren zu verabschieden, wie und wann eine verbesserte Charte in den Vertrag integriert wird.

Um die Europäische Union näher zu ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und zu ihren Bürgern zu bringen, müssen Entscheidungen effizient und transparent sein. Eine Reform der Beschlussverfahren ist daher unabdingbar. Das Vetorecht im Ministerrat ist zum Stolperstein für den sozialen Fortschritt geworden. Mehrheitsentscheidungen sollten im Bereich europäischer Sozialpolitik zur Regel werden.

Um bei den europäischen Staats- und Regierungschefs Gehör zu finden, um sie vom Reden zum Handeln zu bringen, ruft der Europäische Gewerkschaftsbund zur Demonstration in Nizza am 6. Dezember auf.

Der EGB fordert den Gipfel auf, ein weitreichendes soziales Aktionsprogramm zu verabschieden, die Sozialpolitik in der EU in den nächsten 5 Jahren entscheidend voranzubringen, die in der Charta verankerten Prinzipien zum Leben zu erwecken, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen, gegen Diskriminierung, gegen Ungleichheit und sozialen Ausschluss zu kämpfen.

Französisches Original

 

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