Euromarsch auch in der portugiesischen Hauptstadt dabei

60.000 demonstrierten in Lissabon

EU-Sondergipfel ohne konkrete Beschlüsse zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ­ Weiterer Abbau der Sozialsysteme

 

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union saßen in Lissabon bei Hummer süß-sauer und getrüffelten Kalbsfilets beisammen. Außer leeren Versprechungen hatten die Teilnehmer des Sondergipfels zur Sozial- und Beschäftigungspolitik in der vorletzten Märzwoche jedoch auch diesmal nichts zu bieten. Rund 60.000 Teilnehmer einer kraftvollen Demonstration des portugiesischen Gewerkschaftsbundes CGTP unter eindrucksvoller Beteiligung der Euromärsche machten am vergangenen Donnerstag jedoch deutlich, dass die Arbeitenden wie die Arbeitslosen der EU-Länder diesen unsozialen Kurs nicht länger hinnehmen wollen.

Trotz des Demonstrationstermins an einem Werktag hatten die Gewerkschafter von Porto im Norden bis zur Algarve im Süden und natürlich aus der Industrieregion Lissabons ihre Arbeitsplätze verlassen und waren in die Hauptstadt gekommen, um vor dem Konferenzort am Tejo-Ufer lautstark ihre Forderungen an die Staatschefs zu richten: Mehr Arbeitsplätze durch radikale Arbeitszeitverkürzungen, mehr Rechte für die Werktätigen, Schluss mit dem Sozialabbau und Schluss mit der Privatisierung des öffentlichen Eigentums. Ein starker, immer wieder mit Beifall begrüßter Block der Euromärsche mit Teilnehmern aus Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland demonstrierte die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes gegen Multis europaweit.

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Ein Alternativgipfel, zu dem 48 Organisationen ­ von den Umweltschützern und Studentenverbänden über Branchengewerkschaften, Arbeiterkommissionen und mehreren Linksparteien bis zu ATTAC, der Friedensbewegung und antirassistischen Gruppen ­ eingeladen hatten, diskutierte in sechs verschiedenen Themenblöcken ökologische, soziale und friedenspolitische Probleme in Portugal und der EU und formulierte in einem »Manifest für ein soziales Europa« Grundforderungen wie die nach einem Mindesteinkommen, mehr Arbeitsplätzen durch Arbeitszeitverkürzungen, Beendigung aller Formen von Diskriminierung und proklamierte schließlich den gemeinsamen und europaweiten Kampf gegen den Neoliberalismus, für eine solidarische und gerechte Gesellschaft.

Hier wie auf Veranstaltungen des portugiesischen Linksblocks und der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) waren die Vertreter der Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und soziale Ausgrenzung aktiv an den Diskussionen beteiligt.

Die Portugiesische KP hatte zu ihrem Forum »Sozialer Zusammenhalt ­ Beschäftigung mit mehr Rechten« zwölf kommunistische und andere Linksparteien aus zehn EU-Ländern zu Gast. Erstmals und ganz demonstrativ hatten die Gastgeber die Europäischen Märsche eingeladen, um die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen den Linksparteien und den sozialen Bewegungen zu unterstreichen. Eine »engere Kooperation der revolutionären und sozialen Kräfte« sei die Voraussetzung für den Erfolg im Kampf gegen den Kapitalismus in seiner neoliberalistischen Variante, sagte PCP-Generalsekretär Carlos Carvalhas. Deutlichere Töne schlug der Vertreter der KP Griechenlands an, der Arbeitslosigkeit und Sozialabbau als systemimmanente Eigenschaft des Kapitalismus charakterisierte und deshalb dauerhaft nur mit dem Kapitalismus selbst abgeschafft werden könnten. Andere Linksparteien wie etwa die deutsche PDS oder die französische KP waren da zurückhaltender. Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen betonten jedoch alle Redner und versicherten insbesondere dem Euromarsch ihre Unterstützung.

Tatsächlich hat auch dieser Lissabonner Sondergipfel zur Sozial- und Beschäftigungspolitik keine konkreten Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit beschlossen. Es blieb bei der deklaratorischen Versicherung, dass man sie »bis zum Jahre 2010« beseitigen wolle. Der deutsche Bundeskanzler Schröder und sein britischer Amtskollege Blair waren die entschiedensten Gegner konkreterer Festlegungen, wie sie etwa der portugiesische Ministerpräsident Guterres verlangt hatte. Auch nur eine mittelfristige Verpflichtung, die Arbeitslosenquote von gegenwärtig zehn Prozent im EU-Durchschnitt auf vier Prozent zu senken, lehnte Schröder strikt ab. Man wolle sich bemühen, den Anteil der Berufstätigen an der Gesamtbevölkerung von derzeit 61 auf 70 Prozent zu erhöhen. Der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit in den meisten EU-Ländern will man lediglich mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von drei Prozent ohne Beschäftigungsgarantie begegnen. Neue Gefahr droht durch die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die bis zu einem der nächsten Gipfel, Vorschläge für den weiteren Abbau der sozialen Sicherungssysteme vorlegen soll. Offen forderte Blair in diesem Zusammenhang eine »Abkehr von den sozialpolitischen Regulierungen der 80er Jahre«.

Hugo Braun

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