Erklärung der Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung

Für die Einheit in der Aktion der sozialen Bewegungen in Europa

  1. Die sozialen Bewegungen gegen die neoliberale Politik in Europa werden in den kommenden Monaten mit wichtigen Ereignissen konfrontiert sein, die energische und zusammenführende Antworten erfordern. Der EU-Gipfel in Nizza hat eine neue Etappe eröffnet; bis zum Jahr 2004 wird sich das Gesicht Europas geändert haben: durch die Verabschiedung einer europäischen Verfassung, die Osterweiterung der EU und die Neubestimmung der Kompetenzverteilung zwischen der europäischen, der nationalen und der regionalen Ebene.
     
  2. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU zeigt eine klare Linie zugunsten der herrschenden Klassen und der Kapitalgruppen, gegen die große Mehrheit der Bevölkerungen, angefangen bei den abhängig Beschäftigten und den Erwerbslosen. Diese neoliberale Orientierung drückt sich vor allem in einer Politik des Workfare, des Abbaus der sozialen Leistungen, der Privatisierung öffentlicher Dienste und der Unterdrückung sozialer Bewegungen aus: Angriffe auf das Recht auf Meinungsfreiheit und Freizügigkeit, die Förderung ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse und der Aufbau eines europäischen Arbeitsmarkts sind an der Tagesordnung.

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Die Entwicklung der Euromärsche

  1. 3. Die Grundrechtecharta der EU wird als mögliche Präambel einer europäischen Verfassung vorgestellt, obwohl die im Dezember 2000 in Nizza nicht in den EU-Vertrag aufgenommen wurde. Diese Charta ist allerdings nur ein Katalog dessen, was der Konvent von den in den Mitgliedstaaten bestehenden sozialen Rechten übrig lassen wollte. Sie stellt keinen nennenswerten Fortschritt dar, und in Bezug auf die sozialen Rechte fällt sie hinter den Stand in zahlreichen Mitgliedsländern zurück. So anerkennt die Charta kein Recht auf soziale Leistungen (Rente, Arbeitslosengeld, Grundsicherung).
    Wenn die Charta in ihrer jetzigen Form angenommen wird, wenn sie auf die eine oder andere Weise Gesetzeskraft erhält, wird sie zum Hebel für weiteren Sozialabbau werden und eine große Welle der Angleichung nach unten in Gang setzen.
     
  2. Der Europäische Rat wird in Göteborg im Juni 2001, dann in Laeken/Brüssel im Dezember diesen Fortschritt des Liberalismus bestätigen, wenn sich dagegen nicht laut genug eine Stimme erhebt. Der Übergang zum Euro für 12 der 15 Mitgliedsländer Anfang 2002 wird eine neue Etappe darin sein.
     
  3. Wenn wir uns diesem Gewaltmarsch entgegenstellen, wenn wir ihn aufhalten wollen, ist es dringend erforderlich, daß die sozialen Bewegungen aus ganz Europa sich um Ziele und Aktionen zusammenschließen, die sie gemeinsam beschlossen haben.
     
  4. Wir schlagen vor, einen Prozeß zu eröffnen, der zu einer KONVERGENZ der sozialen Bewegungen in Europa führt: der Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten und Landwirte, der Bewegungen der Erwerbslosen, der Beschäftigten mit schlechten Arbeitsverträgen, der Wohnungslosen; der Bewegungen, die sich gegen die liberale Globalisierung stellen, der Bewegungen der Frauen, Jugendlichen, Studierenden, Migrantinnen und Migranten, der Ohne Papiere; derer die gegen Rassismus und Faschismus kämpfen, der Antimilitaristen, Friedensbewegungen und der Initiativen gegen die Militarisierung der EU, der Umweltbewegungen und der vielen anderen, die für Rechte aller Art kämpfen; der akademischen Netzwerke, in denen Forschende und Aktive aus den sozialen Bewegungen zusammenarbeiten.
     
  5. Der EU-Gipfel in Laeken/Brüssel im Dezember 2001 bietet eine Möglichkeit, hier einen Schritt weiterzukommen. Wir schlagen vor, uns einige Ziele zu setzen:
    • Die gemeinsame Erarbeitung und Verabschiedung einer Charta der Forderungen der sozialen Bewegungen in Europa. Diese Charta wäre zum einen eine Alternative zu der, die die europäischen Institutionen erarbeitet haben; zum anderen eine Plattform unserer gemeinsamen Forderungen, die kommende gesellschaftliche Kämpfe auf internationaler Ebene vorbereitet. Für ein soziales Europa, für eine andere Gesellschaft, in der wir anders leben und arbeiten;
    • Die Durchführung einer ersten Zusammenkunft der sozialen Bewegungen in Europa anläßlich des EU-Gipfels in Laeken/Brüssel im Dezember 2001.
    • Die Organisierung von Massenaktionen in dieser Stadt gegen die neoliberale Politik der EU, die den Gipfel »einkreisen« und die u.a. die Forderungen der sozialen Bewegungen vorträgt.

     
  6. Es ist dringend, daß die sozialen Bewegungen in Europa sich ein gemeinsames Projekt geben, daß sie zum Träger gemeinsamer Forderungen für eine Veränderung der Gesellschaft und zu Initiatoren konkreter und koordinierter Kämpfe werden, die den Menschen ermöglichen, über die Grenzen hinweg ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Die Märsche und die großen Demonstrationen zu den EU-Gipfeln in Amsterdam, Köln und Nizza, aber auch die vielen anderen Bewegungen der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen, Frauen, Landarbeiter und Bauern, der Flüchtlinge und MigrantInnen haben gezeigt, daß internationaler Kampf möglich ist.
     
  7. Die Notwendigkeit, die sozialen Bewegungen auf europäischer Ebene zusammenzuführen, wird von den bestehenden Netzwerken immer stärker verspürt. Unter Achtung ihrer jeweiligen Eigenheiten und Unterschiede und unter Berücksichtigung dessen, was bereits besteht, wollen wir deshalb Initiativen zur Debatte und Aktion ergreifen, die in die Richtung einer europäischen Koordination der Netzwerke geht - diese soll flexibel, nicht hierarchisch, demokratisch und dezentralisiert sein.
     
  8. Schlußendlich bedeutet Organisierung und Aktion im europäischen Rahmen nicht, daß wir uns hinter den Bastionen der Festung Europa verschanzen und die weltweite Entwicklung außer acht lassen. Im Gegenteil: Das neoliberale Konzept der Europäischen Union erweist sich als ein mächtiger Hebel der liberalen Globalisierung. Es ist deshalb wichtig eine Verbindung zu den sozialen Bewegungen und Kämpfen zu finden, die weltweit im Rahmen der Opposition gegen den Neoliberalismus entstanden sind - von Seattle bis Porto Alegre. Diese Bewegungen haben neue kämpferische Kräfte hervorgebracht, vor allem in der Jugend.

Nach dem Erfolg der Mobilisierungen von Seattle, Washington und Prag hat die Mobilisierung in Nizza im Dezember 2000 gezeigt, daß es möglich ist, die sozialen Bewegungen in Europa und die Bewegungen gegen die liberale Globalisierung zusammenzuführen. Die kommenden Termine: Göteborg vom 13. bis 16.Juni, Barcelona vom 25. bis 27. Juni, Genua vom 19. bis 21.Juli und schließlich Laeken/Brüssel vom 12. bis 15.Dezember bieten konkrete Gelegenheiten, diese KONVERGENZ zu stärken.

Brüssel, den 22.April 2001

Koordination der Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung

Versammlung am 13.12.01 in Brüssel

französisches Original

 

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